Versorgungsmedizinische Grundsätze

GdB-Tabelle nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)



Versorgungsmedizinische Grundsätze | ERWEITERT

Gesamt-GdB | GdB-Rechner


Schwerbehindertenausweis befristet / unbefristet

Heilungsbewährung

GdB Herabsetzungsverfahren


Schwerbehinderung, Gleichstellung und Kündigungsschutz

Schwerbehinderung Arbeitszeit Nachtarbeit

Sozialgerichtliches Verfahren


GdB Tabelle
Kopf und Gesicht

  • 2. Kopf und Gesicht

     

2.1

Narben nach Warzenfortsatzaufmeißelung

0

Einfache Schädelbrüche ohne Komplikationen im Heilverlauf

0

Einfache Gesichtsentstellung

nur wenig störend

10

sonst

20-30

Hochgradige Entstellung des Gesichts

50

2.2 Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich

leicht

0-10

ausgeprägt, den oralen Bereich einschließend

20-30

Gesichtsneuralgien (z.B. Trigeminusneuralgie)

leicht
(seltene, leichte Schmerzen)

0-10

mittelgradig (häufigere, leichte bis mittelgradige Schmerzen, schon durch geringe Reize auslösbar)

20-40

schwer (häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken)

50-60

besonders schwer (starker Dauerschmerz oder Schmerzattacken mehrmals wöchentlich)

70-80

Rechtsprechung Trigeminusneuralgie


Die GdB-Bewertung bei Gesichtsneuralgien (z. B. Trigeminusneuralgie) richtet sich nach der Intensität der Schmerzen (vgl. VMG Teil B Ziff. 2.2): Der GdB bei seltenen, leichten Schmerzen ist mit 0 bis 10 zu bewerten, bei häufigeren, leichten bis mittelgradigen Schmerzen, die schon durch geringe Reize auslösbar sind, mit 20 bis 40, bei schweren Schmerzen (häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken) mit 50 bis 60 und bei besonders schweren Schmerzen (starker Dauerschmerz oder Schmerzattacken mehrmals wöchentlich) ist ein GdB von 70 bis 80 vorgesehen.

In den Arztbriefen der UKGM vom 26. August 2021 und des Universitätsklinikums Essen vom 30. September 2021 und 11. August 2022 ist die Entstehung der Trigeminusneuralgie zumindest zeitlich mit der Entfernung eines Zahns Ende 2020 mit anschließend aufsteigender Infektion und der am 9. März 2021 durchgeführten Operation zum Verschluss der Kieferhöhle verknüpft. Insbesondere geht aus dem Bericht des Universitätsklinikums Essen vom 30. September 2021 die Diagnose Trigeminusneuropathie mit neuropathischem Schmerz V1 bis 3 links nach Kieferhöhlenoperation links 03/2021 nach Zahnextraktion 12/2020 hervor, was den Zusammenhang unterstreicht. Die Operation am 9. März 2021 ist wiederum im Arztbrief der UKGM vom 13. März 2021 dokumentiert und der Arztbrief der Internistin Dr. B. über die Vorstellung des Klägers am 5. Januar 2021 belegt eine Kieferhöhlenvereiterung. Zwar wurde erstmals am 26. August 2021 von der UKGM die Diagnose Trigeminusneuralgie gestellt, die damit einhergehenden GdB-relevanten Schmerzen sind jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt hinreichend objektiviert. Die in den Arztbriefen dokumentierten klägerischen Angaben zu den im Zusammenhang mit der Zahnentfernung und der Kieferhöhlenoperation bestehenden Schmerzen im Bereich des Nervus Trigeminus links sind grundsätzlich konstant und plausibel. Auch das Universitätsklinikum Essen sieht in seinem Befundbericht vom 13. September 2022 die Trigeminusneuralgie im Sinne eines anhaltenden neuropathischen Dauerschmerzes im Bereich des Nervus trigeminus links als durch die glaubhaften Angaben des Klägers belegt an. Allerdings variieren insoweit die zeitlichen Angaben des Klägers. Während der Kläger am 26. August 2021 gegenüber dem UKGM angab, dass (erst) seit zwei bis drei Wochen Schmerzen in der linken Gesichtshälfte bestünden, nannte er bei der Vorstellung im Universitätsklinikum Essen am 22. September 2021 (Arztbrief vom 30. September 2021) die Operation (9. März 2021) als den Zeitpunkt, seitdem ein anhaltender Schmerz in der gesamten linken Gesichtshälfte, betont im 2. Trigeminusast links, bestehe und erst bei der dortigen späteren stationären Behandlung im August 2022 (Bericht vom 11. August 2022) heißt es dann, dass bereits seit Ende 2020 Schmerzen im Bereich des Nervus Trigeminus links, ausstrahlend vom linken Oberkiefer, bestehen würden. Der Senat folgt daher dem Sachverständigen Dr. S. insoweit, als dieser den Zeitpunkt für seine höhere GdB-Bewertung der Trigeminusneuralgie an diese Zahn- und Kieferhöhlenoperationsproblematik anknüpft. Den von dem Sachverständigen mit "Ende 2020" beschriebenen Zeitpunkt präzisiert der Senat jedoch dahingehend, dass der Zeitpunkt der Operation am 9. März 2021 anzusetzen ist. Denn erst ab diesem Zeitpunkt beschreibt der Kläger selbst den Schmerz als "anhaltenden Schmerz in der gesamten linken Gesichtshälfte" mit einer Schmerzintensität von in der Regel NRS 7/10 (Arztbrief vom 30. September 2021), so dass ab diesem Zeitpunkt von einer Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX auszugehen ist. Außerdem wertet auch das Universitätsklinikum Essen in seinem Bericht vom 30. September 2021 den Schmerz als postoperativ, d.h. nach der Operation aufgetretenen neuropathischen Schmerz bei bereits vorbestehend beschriebener Hypästhesie in diesem Bereich, nachdem sich bei der kraniellen Kernspintomographie keine symptomatische Genese der neuropathischen Schmerzen gezeigt hatte. Der Schmerz wird in den Arztberichten als therapieresistenter Dauerschmerz beschrieben; bisherige Therapieversuche in der Schmerzambulanz u.a. mit Gabapentin, Pregabalin, Amitriptylin, Botulinumtoxin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Tapentadol und Lamotrigin waren jeweils aufgrund von Nebenwirkungen oder bzw. fehlender Wirkung erfolglos geblieben (vgl. Arztbrief Universitätsklinikum Essen vom 11. August 2022). Der von dem Sachverständigen vorgeschlagenen Einzel-GdB von 60 für die Trigeminusneuralgie, der den nach den VMG für schwere Schmerzen (häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken) vorgesehenen Rahmen ausschöpft, ist nicht zu beanstanden und wird auch von dem beklagten Land – wenn auch für einen etwas späteren Zeitpunkt – ebenso eingeschätzt. Zwar mögen auch im Zeitraum vor der Operation, insbesondere im Hinblick auf die nach der Zahnentfernung dokumentierte Kieferhöhlenvereiterung Schmerzen bestanden haben; diese werden jedoch von dem Kläger selbst nicht als anhaltend (dauerhaft) beschrieben und es gibt keine Belege dafür, dass es sich insoweit bereits um neuropathische Schmerzen gehandelt hat.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat 12.01.2021 L 6 SB 113/19



Sofern der Beklagte gegen die Diagnose der Trigeminusneuralgie Einwendungen erhebt, weil aus seiner Sicht die zahnärztlichen Interventionen im rechten Oberkiefer eine Trigeminusneuralgie beidseits "nicht recht" erklären würden, die Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. B. eine zumindest zu Beginn einer Trigeminusneuralgie zu erwartende typische Symptomatik für eine Trigeminusneuralgie mit einschießenden Schmerzen nicht beschrieben habe und auch keine entsprechende spezifische Therapie durchgeführt worden sei, ist dies nicht geeignet, den Vollbeweis der Trigeminusneuralgie zu erschüttern. Was die Verursachung der Trigeminusneuralgie angeht, hat dies der gerichtliche Sachverständige überzeugend erläutert. Dem versorgungsärztlichen Dienst ist selbst bewusst, dass seine Einwände auf schwachen Füßen stehen, wie dies die von ihm verwendeten Worte "nicht recht" deutlich machen. Dass bei der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. B. nicht die zu Beginn einer Trigeminusneuralgie zu erwartende typische Symptomatik festzustellen gewesen ist, ist damit zu erklären, dass die Trigeminusneuralgie bei der Klägerin schon seit über 10 Jahre vorliegt, wie Dr. B. überzeugend erläutert hat, und nach diesem langen Zeitraum nicht mehr die klassische, auch nach den Ausführungen des versorgungsärztlichen Dienstes im Wesentlichen nur für den Beginn der Erkrankung zu erwartende Symptomatik vorliegt. Das Fehlen einer spezifischen Therapie ist damit zu erklären, dass die Diagnose vor der Begutachtung noch nie gestellt worden ist und damit auch der Anlass für eine entsprechende Therapie in der Vergangenheit gefehlt hat. Die späte Diagnosestellung ist für den Senat schlüssig damit zu erklären, dass wegen der anderweitigen Erkrankungen der Klägerin auf psychischem Gebiet der Grund für die tatsächlich aus der Trigeminusneuralgie resultierenden Schmerzen von den behandelnden Ärzten in der psychischen Erkrankung verortet worden ist und daher das Vorliegen einer Trigeminusneuralgie nicht in die ärztlichen Überlegungen zur Diagnostik einbezogen worden ist.

Der von Dr. B. für die Trigeminusneuralgie angesetzte GdB von 40 steht in Einklang mit den VG (vgl. dort Teil B Nr. 2.2). Die Ausschöpfung des für eine mittelgradige Ausprägung dieser Erkrankung zur Verfügung stehenden Spielraums von 20 bis 40 erscheint dem Senat angesichts der von Dr. B. getroffenen Feststellungen zutreffend.

Bayerisches Landessozialgericht 15. Senat L 15 SB 207/12 L 6 SB 3312/20


2.3 Echte Migräne

je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen

leichte Verlaufsform
(Anfälle durchschnittlich einmal monatlich)

0-10

mittelgradige Verlaufsform
(häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend)

20-40

schwere Verlaufsform
(lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen)

50-60

Leitsätze Migräne


Nach Teil A Nr 2e) der Anlage zu § 2 VersMedV sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche, Augen, Ohren, Atmung, Herz-Kreislauf, Verdauung, Harnorgane, Geschlechtsapparat, Haut, Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem, innere Sekretion und Stoffwechsel, Arme, Beine, Rumpf. Eine zusammenfassende Beurteilung von Beeinträchtigungen in den Funktionssystemen Kopf und Gesicht (hier der Migräne) einerseits und Nervensystem und Psyche andererseits ergibt sich daraus nicht.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat 24.10.2024 L 11 SB 307/23


Rechtssprechung Migräne


Im Funktionsbereich Kopf und Gesicht liegen bei der Klägerin Beschwerden in Form einer Migräne ohne Aura mit bis zu vier Attacken pro Monat vor. Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung bestehen nach Aktenlage nicht. Einen Migränekalender, aus welchem Art, Intensität und Dauer der geklagten Kopfschmerzen im Detail ersichtlich würden, hat die Klägerin weder dem Gericht, der Beklagten noch einem Sachverständigen vorgelegt. Für eine echte Migräne mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend), wie sie in der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Beklagten, gestützt auf die vorliegenden Befund- und Behandlungsberichte, aber auch aufgrund der Schilderungen der Klägerin selbst zutreffend angenommen worden ist, sieht die gesetzliche Regelung einen Teil-GdB von 20-40 vor (Anlage VersMedV Teil B Ziff. 2.3). Mit Blick auf die von der Klägerin selbst geschilderten monatlich bis zu vier Male auftretenden Anfälle sowie den fehlenden Nachweis einer Aura – der behandelnde Arzt Dr. B. hat eine solche ausgeschlossen – ist die hieraus resultierende Funktionsbeeinträchtigung am unteren Ende der Spannbreite einzuordnen. Ein Teil-GdB von 20 ist daher durchaus angemessen.

Landessozialgericht Hamburg 3. Senat 28.07.2020 L 3 SB 15/17


Rechtssprechung Depression und leichte Migräne


Die echte Migräne ist nach Teil B Nr. 2.3 der Anlage zur VersMedV je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen (vegetative Störungen, Augensymptome, andere zerebrale Reizerscheinungen) wie folgt zu bewerten:

leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) 0 - 10 mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) 20 - 40 schwere Verlaufsform (langdauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) 50 - 60

Die Migräneattacken treten zweimal pro Woche auf und sprechen sehr gut auf medikamentöse Behandlung durch Ascotop an mit einer meist deutlichen Schmerzlinderung von 7 auf 2 auf der visuellen Analogskala. Da die Anfälle nicht langanhaltend sind und medikamentös gut behandelbar sind, ist nur eine Bewertung am unteren Rand des Beurteilungsspielraums von 20 bis 40 angemessen.

Ausgehend von einem Einzel-GdB von (maximal) 60 für die stärker behindernde seelische/psychische Störung und einem hinzutretenden Einzel-GdB von 20 für die Migräne in der Funktionsgruppe "Kopf und Gesicht" ist ein Gesamt-GdB von 60 zu bilden. Da es sich bei der Migräne um eine leichte Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB von 20 handelt und kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Migräne auf die seelische/psychische Störung oder umgekehrt sich nachteilig auswirkt, ist es nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Vielmehr spricht Einiges dafür, dass sich diese zwei Funktionsbeeinträchtigungen überlagern und damit nicht erhöhen.

Sächsisches Landessozialgericht 9. Senat 26.11.2019 L 9 SB 60/17


Rechtssprechung Depression und mittelgradige Migräne


Einleitend ist anzumerken, dass kein Raum für die von dem Beklagten mitunter vorgenommene (vgl. etwa die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 20. Januar 2023) einheitliche Bewertung des psychischen Leidens und der Migräne ist. Nach Teil A Nr. 2 e) der Anlage zu § 2 VersMedV sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf. Eine zusammenfassende Beurteilung von Beeinträchtigungen in den Funktionssystemen Kopf und Gesicht (hier der Migräne) einerseits und Nervensystem und Psyche andererseits ergibt sich daraus nicht.

Auszugehen ist vom Einzel-GdB von 40 für das psychische Leiden. Hier liegt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B im Sinne von Teil B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die innerhalb des vorgegebenen Bewertungsrahmens mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten ist. Dass die Klägerin ihrer beruflichen Tätigkeit noch vollumfänglich nachkommen kann, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Denn mit Ausnahme der Arbeitswelt kann die Klägerin nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. B den Anforderungen des täglichen Lebens und des häuslichen Bereichs kaum noch nachkommen. Die Haushaltsführung obliegt dem Ehemann, sozial ist die Klägerin weitgehend isoliert, ihre Fähigkeit zu körperlicher und geistiger Betätigung sowie zur Erholung ist störungsbedingt deutlich vermindert. Ein noch höherer Einzel-GdB wegen der bis mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten kommt entgegen der Einschätzung der Klägerin ... i nicht in Betracht, weil dies nach Teil B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV eine schwere psychische Störung voraussetzen würde.

Ob die Migräne nach Teil B Nr. 2.3 der Anlage zu § 2 VersMedV mit einem Einzel-GdB von 30 oder 40 zu bewerten ist, kann dahinstehen. Jedenfalls liegt nach den übereinstimmenden Einschätzungen der Sachverständigen eine echte Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform vor, für die ein Bewertungsrahmen von 20 bis 40 eröffnet ist. Dass hier im Sinne der genannten Bewertungsziffer häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend vorliegen, ergibt sich ohne weiteres aus der Aktenlage und entspricht auch den Einschätzungen der Sachverständigen. Gewisse Schwankungen in den Angaben sind nicht verwunderlich und sind hier im Ergebnis unschädlich, weil jeweils ein Einzel-GdB von 30 gerechtfertigt ist. Das gilt auch ausgehend von dem Befundbericht des behandelnden Neurologen Dr. H, der zwar einerseits „nur“ zwei Anfälle im Monat für je vier Tage, anderseits eine Verschlechterung seit September 2020 mit einem Anfall in der Woche für je drei Tage mitgeteilt hat. Letztere Angabe entspricht auch den Begutachtungsergebnissen mit den von Dr. P mitgeteilten elf bis 13 Kopfschmerztagen.

Ungeachtet weiterer Einzel-GdB, die hier nicht mit mehr als 10 zu bewerten sind, folgt aus den beiden Hauptleiden ein Gesamt-GdB von 50. Dabei hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, dass aus Einzel-GdB von 40 und 30 in aller Regel ein Gesamt-GdB von 50 folgt (Urteil vom 6. Januar 2020 – L 11 SB 177/17 – juris). Dies ist auch hier nach der gebotenen individuellen Betrachtung der Teilhabefähigkeit der Klägerin der Fall (vgl. Mecke, SGb 2023, 220, 229). Das folgt allerdings nicht daraus, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B die mit der psychischen Fehlhaltung einhergehende Anspannung die Häufigkeit und Intensität der Migräne verstärkt. Denn dieser Umstand ist bereits in die Bewertung des Einzel-GdB mit 30 für die Migräne eingeflossen. Außerdem ist nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. Umgekehrt spricht gegen eine Erhöhung nicht der Umstand, dass nach Dr. B die Migräne maßgeblich durch die psychische Fehlverarbeitung beeinflusst wird. Denn hierbei handelt es sich um eine Beurteilung der Kausalität, die nach Teil A Nr. 2 a) der Anlage zu § 2 VersMedV für das final ausgerichtete Schwerbehindertenrecht unmaßgeblich ist. Keinesfalls folgt aus dieser Kausalität im Übrigen die von Dr. B angenommene Überschneidung der psychischen und somatischen Behinderungen. Ein solche Überschneidung ist hier auch fernliegend und wird von dem Sachverständigen Dr. P überzeugend verneint. Denn während das psychische Leiden in Form einer angstbedingten Daueranspannung vorliegt mit starken Beeinträchtigungen der Alltagsbewältigung, folgen aus der Migräne heftige Kopfschmerzen mit Übelkeit, Durchfall, einem diffusen Schwindelgefühl sowie einer Geräusch- und Geruchsüberempfindlichkeit und das in einem erheblichen Umfang von elf bis 13 Tagen monatlich. Sind damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betroffen (Teil A Nr. 3 d) aa) der Anlage zu § 2 VersMedV), liegt zudem eine Verstärkung des psychischen Leidens durch die Migräne insoweit vor, als die ohnehin stark angstbelastete Klägerin gegenüber Dr. B nachvollziehbare Ängste vor einer weiteren Migräneattacke geschildert hat. Dass die Klägerin vollschichtig als Lehrerin berufstätig ist, spricht nicht gegen eine Schwerbehinderung, was etwa § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erhellt.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat 24.10.2024 L 11 SB 307/23


Rechtssprechung Depression mit Schmerzstörung und mittelgradige Migräne


Auch dass daneben eine Migräne mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigen ist, nimmt der Beklagte mittlerweile an. Dabei ist hier entsprechend den Ausführungen von Prof. Dr. P von einer Migräne mit mittelgradiger Verlaufsform auszugehen, die nach Teil B Nr. 2.3 der Anlage zu § 2 VersMedV mit einem Einzel-GdB nicht unter 20 zu bewerten ist. Daneben sind das Wirbelsäulenleiden nach Teil B Nr. 18.9 der Anlage zu § 2 VersMedV mit einem Einzel-GdB von 20 und diverse Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen.

In der Gesamtschau ist hier ausnahmsweise der höchste Einzel-GdB von 40 für das seelische Leiden durch den Einzel-GdB von 20 für die Migräne auf 50 zu erhöhen. Eine Überlappung in den Auswirkungen der Leiden sieht der Senat entgegen der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Beklagten nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von Prof. Dr. P im Rahmen des seelischen Leidens herangezogene Schmerzstörung die Schmerzen jenseits der Kopfschmerzen bewertet. Es handelt sich hier um multiple anhaltende Schmerzen im Bereich der rechten Thoraxwand, der Lendenregion, beider Hüften, des linken Knies und der Zehen. Die Auswirkungen der Migräne treten also zu den übrigen Schmerzen (und sonstigen Funktionsbeeinträchtigungen) noch hinzu. Deren Auswirkungen erachtet der Senat als erheblich und zwar ungeachtet dessen, ob die Migränefrequenz im Sommer mindestens ein Mal in der Woche mit einer Dauer von ein bis drei Tagen (Prof. Dr. P) oder mit drei bis vier Anfällen in der Woche bei einer Dauer zwischen vier und zwölf Stunden (Dr. T) beträgt.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat 20.08.2020 L 11 SB 226/18


Rechtssprechung Migränetagebuch als Mittel der Glaughaftmachung


Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Migräne hat das Berufungsgericht nicht mehr Erkenntnisse gewonnen, als bereits das Sozialgericht in seiner Entscheidung herausgearbeitet hat. Auch im Berufungsverfahren hat die Klägerin ein Migränetagebuch zur Glaubhaftmachung der von ihr behaupteten Migräneanfälle nicht vorgelegt. Stattdessen hat sie Ablichtungen eines Kalenders für das Jahr 2019 zur Akte gereicht, in dem solche Tage farblich gekennzeichnet sind, an denen sie an Migräne – Kopfschmerz mit Aura, Übelkeit und Durchfall – gelitten habe. Einerseits enthält dieser Kalender aber keine ausreichend verwertbaren Informationen zum Auftreten der Kopfschmerzen nach Tageszeit, Dauer, Intensität sowie der genauen Art der Begleiterscheinungen. Andererseits sind an vielen der von der Klägerin gekennzeichneten „Migräne“-Tage auch Termine eingetragen, ohne dass die Klägerin hierzu vorgetragen hätte, diese Termine migränebedingt nicht habe wahrnehmen können.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 10. Senat 13.03.2024 L 10 SB 17/20


Leitsätze Kopfschmerzen


Für die Bewertung der Kopfschmerzsymptomatik ist eine Orientierung an den Vorgaben für die Bewertung der echten Migräne (VG, Teil B, Nr. 2.3) angezeigt (VG, Teil B, Nr. 1, b), wonach die echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen bei einer leichten Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) zu einem Einzel-GdB von 0 bis 10, bei einer mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) zu einem Einzel-GdB von 20 bis 40 und bei einer schweren Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) zu einem Einzel-GdB von 50 bis 60 führt.

Landessozialgericht Baden-Württemberg 6. Senat 25.05.2023 L 6 SB 1157/21


2.4 Periphere Fazialisparese

einseitig

kosmetisch nur wenig störende Restparese

0-10

ausgeprägtere Restparese oder Kontrakturen

20-30

komplette Lähmung oder ausgeprägte Kontraktur

40

beidseitig komplette Lähmung

50

Anmerkung Faszialisparese


Eine nähere Klassifikation der Faszialisparese lässt sich anhand der Einteilung nach House und Brackmann vornehmen. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ist ein GdB-Rahmen zwischen 20 und 30 bei einer Einstufung in den Grad IV eröffnet.

Landessozialgericht Baden-Württemberg L 6 SB 1157/21 25.05.2023


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